Wer eine H-Boot-Weltmeisterschaft mitsegelt, weiß: Es geht nicht nur ums Gewinnen. Es geht ums Durchhalten, ums Warten, ums gemeinsame Frieren – und manchmal auch ums Feiern. So auch Ende Mai am Traunsee. 69 Boote, ein Rekordfeld, ein traumhaftes Alpenpanorama und… kaum Wind. Die Vorfreude war groß, die Realität dann eher zum Zähneknirschen.
Schon beim Practice Race am Dienstag hieß es: „AP hoch – kein Wind“. Statt Segeln gab’s Startverschiebung, Kaffee und jede Menge Klönschnack. Die neue Lieblingsflagge der Crews wurde übrigens verdächtig oft gehisst – vielleicht, weil sie so hübsch zu den österreichischen Farben passte? Wer weiß. Der Segler nimmt’s mit Humor, wenn schon nichts geht auf dem Wasser.
Schon die Woche davor bei der Staatsmeisterschaft war für viele eher ein Ausdauer- als ein Segelwettbewerb. Das eigentliche Drama begann da bereits bei der Vermessung: Das H-Boot-Gewichtslimit von 300 Kilo – für viele Teams ein echter Endgegner. Also wurde streng auf Essen und Trinken geachtet. Fasten für die Wettfahrt, sozusagen. Manche hörten schon einen Tag vor der Messung mit der Nahrungsaufnahme auf – Segeln als Askese. Und auch wenn das Wetter eher so mittel war, ließen sich die Segler die Laune nicht verderben. Sonntagabend wurde im Kreis der Berliner Freunde gegrillt, gelacht und ein wenig über die Zukunft philosophiert – nächstes Jahr die Deutsche Meisterschaft in Berlin-Tegel. Großes Event, große Vorfreude, große Empfehlung!
Zurück zur WM: Mittwoch also offiziell der erste Wettfahrttag. Aber wieder: nichts. Flaute, Warterei, Bastelstunde auf dem Vorschiff. Die Stimmung blieb erstaunlich gut. Irgendjemand hatte immer einen Spruch oder eine Flasche dabei. Donnerstag gab es dann zumindest den Versuch eines Starts – allgemeiner Rückruf inklusive. Also wieder rein in den Hafen. Freitag dann: Hoffnung. Der Wind kam, wenn auch früh. Sehr früh. 5:45 Uhr auslaufen, 7 Uhr Start. Da mussten viele erstmal den Schlaf aus den Augen reiben. Aber: Endlich gesegelt. Drei Rennen geschafft, das fühlte sich an wie Weihnachten im Mai.
Samstag lief es durchwachsen. Ein Rennen war noch nötig, aber der Wind wollte nicht so, wie die Wettfahrtleitung es sich gewünscht hatte. Also die Entscheidung: Auch Sonntag muss noch gesegelt werden. Und der Sonntag hatte es in sich – nicht nur wegen des Sonnenaufgangs, der über dem See glitzerte, sondern auch wegen des emotionalen Höhepunkts: Der letzte WM-Tag von Dirk. Der Steuermann, mit dem wir so viele Jahre auf dem Wasser geteilt haben, beendete seine Weltmeisterschaftskarriere – und wie! Olli, Vorschoter und DJ, sorgte für den musikalischen Rahmen: „Am Sonntag will mein Schatz mit mir segeln gehen…“ schallte es über des See. Dazu die passenden Dance-Moves, direkt unter der AP-Flagge von unserem Wettfahrtleiter. Ein Bild, das bleibt.
Die Frühstarts allerdings auch. Der Sonntag begann mit einem Allgemeinen Rückruf. Dann drehte der Wind, der Kurs passte nicht mehr – Abbruch. Der Traunsee zeigte sich noch einmal von seiner kapriziösesten Seite. Doch gegen Mittag: Überraschung. Drei weitere Rennen, bei anständigem Wind. Wer noch da war, durfte segeln. Viele andere hatten zu dem Zeitpunkt bereits das Handtuch geworfen – oder genauer: den das Boot auf den Trailer gepackt. Von 69 Booten waren noch etwa 39 im Rennen.
Zwischendurch sorgte eine ungewollte Bootskollision beim Warten für Aufregung – ein dumpfer Knall, der kurzzeitig für Verwirrung sorgte. Am Abend dann die Siegerehrung. Applaus für die italienischen Weltmeister um Flavio Favini, der trotz Flaute, Frühstart und Favoritenrolle seinen Titel verteidigen konnte. Gratulation auch an die Berliner Teams, die sich stark präsentierten.
Und dann war da noch das Team um Finn Kenter. Gemeinsam mit Paul Westermann, Moritz Oehme und Julius Wagner segelte der 24-Jährige vom Starnberger See auf dem alten Familienboot groß auf. Schon im ersten Rennen fuhren sie überraschend zum Sieg – während erfahrene Favoriten früh patzten. Am Ende sprang Platz drei in der Gesamtwertung heraus. Ein starkes Ergebnis für das junge Quartett, das mit Teamgeist, kluger Taktik und einer Portion Mut bewies: Die nächste Generation im H-Boot steht bereit.
Gegen 19 Uhr machten sich die meisten auf den Heimweg, viele kamen zwischen drei und vier Uhr morgens zu Hause an. Am Montag ging’s für einige schon direkt wieder ins Büro – mit etwas Augenringen, aber vielen Geschichten im Gepäck. Und ja, auch wenn der Wind oft fehlte: Diese Weltmeisterschaft hatte Charakter. Und Charakter, das weiß jeder H-Boot-Segler, kann man nicht messen. Nur erleben.
Ein großes, herzliches Dankeschön geht zum Abschluss an den Segelclub Ebensee und all die helfenden Hände vor Ort. Trotz schwieriger Bedingungen haben sie mit unglaublichem Engagement, Gastfreundschaft und österreichischem Charme eine Weltmeisterschaft auf die Beine gestellt, die uns – Wind hin oder her – in Erinnerung bleiben wird. Danke für euren Einsatz, eure Geduld und eure Liebe zum Segelsport. Ihr habt Großes geleistet!
Platzierungen der Berliner:
6. GER 1456 Schönfeldt Frank Krabbe Felix Keding Markus MSC TSC TSC
9. GER 1685 Krause Andreas Krause Alexander Schönborn Ansgar VSaW RCYC SCG
13. GER 1721 Kausen Thomas Funk Jani Funk Franzi Eilhardt Alexander BYC RCO RCO BYC
14. GER 1737 Stadler Dirk Lars Oliver Drtina Thomas SRS SCS VSaW
20. GER 1656 Dümchen Michael Dümchen Thomas Boedewig Dr Kay VSaW VSaW BYC
43. GER 1641 Beuster Thilo Karg Wolfgang Weinert Frank SGS SGS SGS
44. GER 1010 Köhne Holger Köhne Jan Ulrich Sven PYC PYC D12V
48. GER 646 Hansen Sven Soe Kyaw Müller Kai PSB24 PSB24 VFSW
58. GER 519 Taube Sven Ristock Paul Fontes Jan TSC TSC TSC
62. GER 1649 Nürnberger Peter Nürnberger Jan Forster Pia Nürnberger Monika SG S BYC BYC SGS
Gesamtergebnis: https://www.scebensee.at/wp-content/uploads/2025/06/Ergebnis.pdf
links: Beste Berliner auf Platz 6: Felix Krabbe, Markus Keding (TSC), mit Fr. Schönfeldt (MSC)
rechts: auf Platz 14: Oliver Melzer (SCS) und Thomas Drtina (VSaW) mit Dirk Stadler (SRS)
Text: Thomas Drtina